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Günther Gerstel (1946-2015).

Günther Gerstel (1946-2015)Wir haben die traurige Nachricht zu vermelden, dass unser Vater und ehemaliger Geschäftsführer unseres Autohauses am vergangenen Dienstag im Alter von 68 Jahren nach längerer Krankheit von uns gegangen ist.

Günther Gerstel trat im Jahre 1965 als dritte Generation als KFZ-Mechaniker ins Unternehmen ein und führte zunächst mit unserem Großvater Hubert und unserem Großonkel Bruno Gerstel die Geschäfte. 1972 legte er die Meisterprüfung in Karlsruhe ab. Ab 2000 übernahm er alleinig die Geschäftsführung. Im Jahr 2011 ging er in seinen wohlverdienten Ruhestand, seit diesem Zeitpunkt führen Andreas und ich die Geschäfte des Hauses als Familienbetrieb weiter.

Wir wir alle hat auch unser Vater das Autogeschäft vom ersten Tag an hautnah miterlebt, damals noch in den schweren Nachkriegsjahren und der nachfolgenden Zeit des Wirtschaftswunders. Im Autohaus war es ihm vergönnt, gleich fünf Jahrzehnte mitzuerleben, angefangen von den 1960er Jahren mit den stolzen Opel-KAD-Modellen (Kapitän-Admiral-Diplomat) bis hin zum Jahre 2011 mit der Vorstellung des ersten alltagstauglichen Elektrofahrzeug, dem Opel Ampera. „Benzin im Blut“ war auch für ihn kein Fremdwort, sondern Lebensphilosophie und der tägliche, direkte Kontakt mit unseren Kunden eine Selbstverständlichkeit. Ein getrenntes „Chefbüro“ abseits vom Servicebereich? Ein Ding der Unmöglichkeit, auch für ihn.

Was von ihm bleibt sind unendlich viele Geschichten und Taten, nicht nur bei uns, sondern auch bei unseren langjährigen Mitarbeitern und bei vielen unserer Kunden. Beim kleinen Schwätzchen am Rande gab es zu jedem Thema Rat und Tat von ihm, ob nun Freude, Traurigkeit, Erfolge, Niederlagen, Enttäuschungen. Das besondere Etwas in menschlichen Beziehungen, in solchen Situationen eine Empathie für sein Gegenüber zu haben, das hatte auch er und das ist das, was wir auch pflegen und weitertragen. Solche Erinnerungen können unseren menschlichen Verlust sicherlich nicht ersetzen, aber zumindest erträglicher machen. Seine Spuren und Ziele finden sich in unserem gesamten Haus und für uns alle war er bis zuletzt unser wichtigster Ratgeber.

Die Beisetzung fand am gestrigen Montag im engsten Familienkreis statt, so wie es sein persönlicher Wunsch war. Wir bitten dafür um Verständnis. Wir wollen diese Woche auch keine weiteren Artikel im Gerstelblog veröffentlichen, wir machen nächste Woche an dieser Stelle weiter.

Andreas und Timo Gerstel

Der Wert eines Familienunternehmens.

Vergangene Woche machte der Verkauf eines großen Pforzheimer Autohauses an eine große Autohausgruppe seine nachrichtliche Runde und damit beginnt auch wieder einmal die Diskussion über Autohausgruppen und inhabergeführten Familienunternehmen. In einem Artikel in der Pforzheimer Zeitung wurden auch wir als immer noch eigenständiger Betrieb erwähnt, aber eigentlich fehlt da das Statement von uns dazu. Denn es wird viel über Autohäuser gesprochen, aber viel zu selten mit ihnen.

Warum eigentlich Autohaus-Gruppen?

Die allermeisten Autohausgruppen fingen auch mal als Familienunternehmen an und viele dieser Autohäuser haben ihre Wurzeln auch im frühen 20. Jahrhundert. In Sachen Unternehmensalter nehmen wir es problemlos mit den größten Autohausgruppen auf.

Was den Autohandel sehr speziell macht, ist seine Regionalität und sein Markenbezug. Ein Autohausstandort hat von Hause aus eine bestimmte Reichweite in Sachen Kunden und Interessenten. Wer ein Auto kauft oder in die Werkstatt bringt, fährt nicht hunderte Kilometer, sondern bevorzugt ein Autohaus in der Nähe. Und dazu kommt dann der Markenbezug, also das Potential, eine Region mit Autos einer Marke (theoretisch) zu penetrieren. Für all das gibt es mehr oder weniger aussagekräftige Planzahlen aller Autohersteller, die Basis der Netzplanungen sind.

Nun ist es so, dass man beim Betreiben eines Autohauses mit einer Marke mit einem Standort irgendwann an Sättigungseffekte stößt, weil der Autohandel und das Betreiben einer Werkstatt sehr antizyklische Geschäfte sind. Ist auch klar: Sie kaufen ein Auto bei weitem nicht so oft, wie Sie das Auto in der Werkstatt zwecks Wartung oder Reparatur vorfahren. Dennoch gehören beide Geschäftsfelder auch heute noch zu einem Autohaus. Zudem fallen und steigen einzelne Marken und Modelle in der Sympathie beim Kunden.

Jetzt gibt es zwei grundsätzliche Wege: Weiter im eigenen Markt arbeiten und Potentiale herausarbeiten oder expandieren. Und die Expansion kann so aussehen, dass man weitere Automarken am bestehenden Standort hinzunimmt oder andere Standorte baut oder übernimmt. So einfach ist das alles in der Theorie.

Das Kreuz mit dem Wachstum und der Größe.

Nun ist Expansion natürlich erst einmal eine schöne Sache. Mehr Kunden, mehr Umsatz, mehr Bedeutung in der Region und auch bei Autoherstellern. Und klar, wir können auch staunend vor Autohaus-Glaspalästen stehen, in denen dutzende glänzende Neuwagen warten. Das Problem mit dem Wachstum ist jedoch auch hier der Schweinezyklus:

  1. Neue Standorte und zusätzliche Marken kosten Geld – richtig viel Geld. Siebenstellige Beträge sind da die Tagesordnung und üblicherweise braucht es dazu dann Fremdkapital in Form von Krediten oder Gesellschaftern. Und damit gibt man einen Teil der Verantwortung schon mal ab.
  2. Der anderer Teil der Verantwortung ist für den Fall gefragt, wenn der Schweinezyklus im vollen Gange ist und plötzlich aber der Absatz stagniert. Sprich: Sie haben das Autohaus voll mit Neuwagen, das Ersatzteillager voll mit Teilen, irgendwann demnächst ist das Zahlungsziel gegenüber dem Autohersteller fällig und Sie werden weder Neuwagen oder Teile los, weil zum Beispiel „ganz nebenbei“ die Konjunktur zusammenbricht und die Konsumenten die Neuwagenanschaffung in die Zukunft verschieben. Innerhalb weniger Wochen entstehen so finanzielle Verwerfungen, denn natürlich müssen Sie Ihr Personal weiterhin pünktlich bezahlen.
  3. Der dritte, „weiche“ Faktor ist die persönliche Note und die Kundenzufriedenheit. Es geht bei uns im Autohandel meist immer um nicht ganz wenig Geld und alles, was teuer ist, ist eine Vertrauensfrage. Das kann man sich nicht kaufen, sondern muss es sich erarbeiten und vor allem auch erhalten. Wir sind hier nahe dran, aber in großen Gruppen und Strukturen besteht die Gefahr, dass Persönlichkeit verlorengeht und das ist ein schleichender und sehr gefürchteter Prozess. Persönlichkeiten sind nicht nur in Krisenfällen gefordert, sondern immer und ständig. Sie würden es nicht glauben, wie oft wir mit gestandenen Autohauskollegen sprechen und wir gefragt werden, was eigentlich die Essenz bei uns ist – der geheimnisumwobene „Saft“, der unser kleines Autohaus zusammenhält.

Wir.

Genau das: Wir. Wir Familienunternehmer im Mittelstand übernehmen persönlich Verantwortung und stehen da vor allem mit unserem Namen mittendrin. Verbindlichkeit, Verantwortung und Vertrauen ist da eben nicht einfach nur ein Unternehmenszweck, sondern auch eine Familienangelegenheit. Besprochen werden dann viele Dinge im schnellsten Dialog, der möglich ist: Einem Sofortgespräch zwischen uns Brüder oder auch mit unserem Vater, der das gleiche Geschäft ja nun einige Jahre länger und vor uns betrieben hat. Ein Erfahrungsschatz, den wir nie in seiner Gesamtheit beschreiben könnten, aber dennoch hier im Autohaus vorhanden ist.

„Familie“ darf man da ruhig weiterdrehen, denn Familienunternehmen haben überdurchschnittlich hohe Zufriedenheitswerte bei Mitarbeitern und entsprechend lange Betriebszugehörigkeiten. Das ist nicht einfach nur ein schöner Nebeneffekt, sondern das ist ein harter Wettbewerbsvorteil, für den wir uns ins Zeug legen. Das ist dann der „Saft“. So richtig viel Geheimrezeptur ist da gar nicht dahinter. 🙂

Vom Chef-sein und nicht dafür gehalten werden.

Dass wir „Juniorchefs“ gelegentlich erst auf den zweiten Blick als Chefs wahrgenommen werden, daran haben wir uns gewöhnt. Und ärgern darf man sich ja auch nicht, denn der fließende Generationenwechsel ist für einen Familienbetrieb ja immerhin das natürlichste der Welt. Dass wir Juniorchefs daher manchmal gar nicht als Chefs identifiziert werden, sondern der Chef für viele Kunden halt einfach noch „der Vadder“ ist, das ist nun mal so. Ging meinem Vater damals nicht anders und sein Vater kannte das Problemchen sicherlich auch.

Letztens gab es aber gleich zwei Kapitel zu diesem Thema und das alles an einem Tag:

Kapitel 1: Junger Kunde, so Anfang der 30er, kommt kurz vor Feierabend ins Büro und möchte seinen Wagen abholen. Die Frage, ob offenkundig mein Vater mich auf eine bestimmte, zu prüfende Sache hingewiesen hat, beginnt er mit der Einleitung: „Hat Ihnen Ihr Chef gesagt… .“ Hat er, auch wenn er genauso Chef für mich ist, wie ich für ihn. Aber das habe ich natürlich so nicht erwidert. 🙂

Kapitel 2: Ein ausländischer Kunde, der sich offensichtlich für den Kauf eines Autos interessierte, kam herein und fragte in gebrochenem Deutsch und recht direkt, wer der Chef sei. Zwar ich, sagte ich, aber der „andere“ Chef, also mein Bruder, sei derjenige für den Autokauf. „Ich kein Chef!“ antwortete er. „Na, doch,“ sagte ich, „irgendwo sind Sie doch bestimmt auch Chef!“ Er überlegte ein, zwei Sekunden. „Nein, ich nirgendwo Chef. Nur zu Hause.“ Steilvorlage für mich: „Na also, da sind Sie also zu Hause Chef!“

Bingo, er lachte. Und dann hatten wie beide auch noch ein paar Minuten später zu tun, als er sich beim Vorbeigehen noch etwas darüber beschwerte, dass ich sein Auto zugemacht hätte. Da hatte er Recht, ich hatte bei meinem allabendlichen Rundgang doch tatsächlich seinen Opel Corsa als Kundenfahrzeug angesehen und ihn abgeschlossen. Glücklicherweise hatte er vorher den Schlüssel abgezogen und in der Hand, sonst wäre sein Auto kurz vor Feierabend auch noch ein Werkstattfall geworden. 🙂