Das ist jetzt keine Floskel… es stimmt, ich liebe es, samstags in der Firma Dienst zu machen. Jaja, so mancher wird jetzt gleich vermuten: Schlimme Ehefrau zuhause! – deshalb will der schaffen!
Nein, so ist es nicht. Der Samstag hat bei uns in der Firma einen ganz besonderen Flair. Das Autohaus ist im Gegensatz zum Trubel, der unter der Woche herrscht, nicht wiederzuerkennen. Intim, ruhig und gelassen. Man hört Geräusche im Büro, die hört man unter der Woche sonst nicht. So konnte ich schon einmal eine Festplatte retten, die spätestens die Woche darauf über den Jordan gegangen wäre, nur weil ich samstags in der Festplatte seltsame Geräusche hörte.
Der normale Ablauf Samstags: Erst mal um 8:00 Uhr Kaffee machen, Werkstatt aufschließen, PC hochfahren, abwarten… Abwarten auf das was kommt. Es gibt ganz unterschiedliche Samstage bei uns. So ist es eigentlich die Regel dass bis 9:30 Uhr nicht viel passiert. Ein Kunde steht immer um 8:00 Uhr schon vor der Türe, um regelmäßig nach Öl, Wasser, Luft an seinem Insignia zu schauen. Einen kleinen Plausch über die fast vergangene Woche und der gegenseitige Wunsch eines schönen Wochenendes. Auch so ein Samstägliches Ritual, das ich nicht missen möchte.
Alles nicht so an diesem Samstag. Ich komme um 8:00 Uhr in die Firma und es stehen schon 5 gut gelaunte, voller Tatendrang stehende Kunden. Ich kämpfe mich durch, um an die Werkstattüre zu kommen. Nach diesem kleinen Spießrutenlauf (es ist nie gut, später wie die Kunden zu kommen) fange ich an, die Kundschaft zu sortieren.
Bei Nummer 5 blieb mir dann nach meiner Frage und der folgenden Antwort die Luft weg:
„Was kann man Ihnen oder Ihrem Auto gutes tun?“ fragte ich wie sonst auch.
“ Einen NSU bitte! “
(grübel grübel….) „Verstehe ich jetzt nicht so ganz!?“ fragte ich ungläubig.
„Sie haben doch inseriert!“
Ein Kaffee zum wachwerden war jetzt nicht mehr von Nöten. Alle Gehirnwindungen versuchten sich nämlich fieberhaft zu erinnern, was in den letzten Gesprächen mit unserer Werbeagentur schief gelaufen sein könnte. Eine falsche Zeitungsanzeige? Ein NSU? Aber vergebens. Zwar war mir bewusst, dass unser Urgroßvater Heinrich eine NSU-Vertretung hatte, das ist jedoch schon längst Geschichte, ebenso wie auch die Marke NSU.
Zum Glück beendete der Kunde dieses Verwirrspiel.
„Ich habe eine Zeitung von 1923 und in der hat ihr Urgroßvater 2 Anzeigen geschaltet. Wollen Sie mal sehen?“
Meine Augen leuchteten heller als Xenonscheinwerfer. Ich, der eh wissbegierig über die Geschichte unseres Autohauses bin, stehe hier und sollte gleich eine Zeitung von 1923 sehen mit einer Anzeige, von Heinrich geschaltet… da weht an so einem Samstagmorgen schon so etwas an, so ein Eishauch der Geschichte (na, wer weiß, aus welchem Film dieses Zitat kommt?).
Der Kunde geht an sein Auto und holt – einen in Leinentücher eingewickelten Bilderrahmen heraus. Die Spannung stieg bis ins unermessliche. Behutsam wickelte er das Teil aus.
Kurz bevor es zum Vorschein kam stoppte er und erzählte mir erst die Geschichte, wie er an das Teil gekommen war:
„Ich kaufte auf einem Pforzheimer Flohmarkt eine Spiegel, der einen wunderschönen Rahmen hatte. Das Spiegelglas war zwar gebrochen, aber der Rahmen hat es mir angetan. Ich nahm ihn mit nach Hause und fing an, den Spiegel zu zerlegen. Es war Sitte früher, hinter Spiegelglas Zeitung als federnde Unterlage zu legen. Und siehe da, eine Zeitung von 1923 war hinter dem Glas.“
Unglaublich. Er überreichte mir das gute Stück und auf dem originalen Zeitungspapier finden sich gleich 2 Anzeigen anlässlich dem „3-Fach Sieg des NSU 5/15 PS beim legendären Avus-Kleinautorennen in Berlin“:
Leider lässt sich die Zeitungsseite nicht mehr genau rückdatieren, weil die Ecken fehlen. Aber 87 Jahre alt ist das Papier auf alle Fälle und schön eingerahmt hat das Relikt nun einen Stammplatz im Ladengeschäft.